In einem früheren Blogpost ging es um den schwierigen Umgang mit extrem rechten Parteien in Planspielen. Inzwischen sind diese Parteien und andere Akteur*innen weltweit und in Deutschland weiter erstarkt. In unseren Workshops spiegeln sich diese gesellschaftlichen Entwicklungen: Antidemokratische Positionen werden häufiger und selbstbewusster vertreten und menschenfeindliche Äußerungen nehmen zu. Ein Eindruck, den uns auch andere Personen und Organisationen bestätigen, die in der politischen Bildung aktiv sind.
Viele unserer festen und freien Trainer*innen haben schon Erfahrungen mit herausfordernden Situationen in ihrem Arbeitskontext gemacht. Zwar verlaufen die meisten unserer Veranstaltungen ohne Zwischenfälle, doch es kommt vor, dass diskriminierende oder ausgrenzende Äußerungen fallen. Gerade unter jungen Menschen zeigt sich eine wachsende Offenheit für ausgrenzende Positionen, und immer öfter handelt es sich dabei nicht um einzelne Personen, sondern um mehrere Teilnehmende.
Auch wenn das keine einfache Aufgabe ist, wollen wir uns auf solche Situationen besser vorbereiten. Das tun wir auf unterschiedliche Weise: Erstens bilden wir uns intern mit Schulungen von Anti-Diskriminierungs-Expert*innen weiter, zweitens geben wir unser Wissen in Form von Argumentationstrainings gegen rechte Parolen weiter, und drittens haben wir einen Leitfaden für unsere Trainer*innen erstellt, der dabei helfen soll, bestmöglich auf diskriminierende Äußerungen in unseren Workshops zu reagieren.
Doch was ist eigentlich eine gute Reaktion? Dafür gibt es leider wie so oft kein Patentrezept. Jede Situation ist anders, zudem bringt jede*r Trainer*in unterschiedliche Erfahrungen und Betroffenheiten mit. Um dennoch einen Anhaltspunkt zu geben, verweisen wir – wie auch andere Institutionen – in unseren Trainings gerne auf das Positionierungsdreieck. Abhängig u.a. vom Kontext zeigt es drei grundsätzliche Möglichkeiten des Umgangs mit menschenfeindlichen Aussagen auf.
Positionierungsdreieck
Bei unserer Arbeit und mit Hinblick unserer besonderen Verantwortung, allen eine gleichberechtigte Teilnahme zu ermöglichen und evtl. betroffene Personen in unseren Workshops zu schützen, haben wir in unserer Arbeit die Möglichkeit „Nicht diskutieren“ nicht, wenn diskriminierende Äußerungen in unseren Workshops getätigt werden. Wir müssen uns zwingend „positionieren“ und je nach Kontext auch „diskutieren“.
Um sich sicherer zu fühlen und angemessen zu reagieren, ist zunächst die Vorbereitung des Workshops zentral:
Wie gut kenne ich mich mit Thema aus? Moderiere ich alleine oder im Team?
Was ist mein eigener Bezug und meine eigene Position zum Thema?
Wer aus dem Team interveniert bei welchem Problem?
Womit bekomme ich/bekommen wir es zu tun?
In Zukunft versuchen wir deshalb auch mit Lehrkräften in der Vorabsprache zu klären, zu welchen Situationen es potenziell kommen kann.
Der Workshop beginnt dann im Normalfall mit der Festlegung von Gesprächsregeln, auf die wir bei Bedarf zurückkommen können. Fallen dann grenzüberschreitende Äußerungen, gilt es diese zunächst überhaupt wahrzunehmen und dann einzuordnen, auch wenn dafür oft nicht viel Zeit ist. Zur Einordnung gehört:
Inhalt:
Was wurde geäußert – Diskriminierung (z.B. Rassismus, Antisemitismus, queerfeindliche Aussagen, etc.) Wie gut kenne ich mich mit Thema aus?
Situation: Kam die Äußerung während des Workshops oder im privaten Gespräch in der Pause?
…im Kontext einer hitzigen Diskussion, ggf. im Affekt?
…im Kontext des Planspiels?
Sind potenziell betroffene Personen in der Nähe, im Raum?
Was ist die Position der Person(en), die problematische Dinge äußern?
Wiederholt problematische Äußerungen oder „aus dem Nichts“?
Von einer Einzelperson oder einer Gruppe?
Schüler*in/Student*in oder Lehrkraft?
Handelt es sich um eine vermeintlich bewusste Provokation?
Für die Reaktion haben wir ein Kaskadenmodell entwickelt. Je nach Verlauf kann die Reaktion angepasst und schärfer werden. Am Anfang steht (freundliches) Nachfragen, Aufklären und Korrigieren, da eine Äußerung auch aus Unwissenheit heraus getätigt werden kann. Bei Uneinsichtigkeit oder Widerwillen muss die Äußerung klar als „nicht OK“ markiert werden (Positionierung). Wir erinnern an die festgelegten Gesprächsregeln und fordern entsprechend respektvolles Verhalten ein.
Auch sog. Powersätze für die Positionierung können hier helfen, die in vielen Situationen passen, und die sich Trainer*innen vorher zurechtlegen können. „Ich respektiere dich, aber nicht deine Meinung“, oder „Wir hatten am Anfang klar vereinbart, dass wir hier respektvoll miteinander sprechen möchten - das war nicht respektvoll!". So kann ein Gegenpunkt gesetzt und Zeit gewonnen werden.
Gibt es beim Gegenüber aber weder die Bereitschaft, offen zu diskutieren, noch sich zurückzuhalten, ist es immer möglich, eine Pause zu machen. Dies kann deeskalieren und die Trainer*innen haben die Möglichkeit, sich untereinander abzustimmen, mit möglicherweise von den diskriminierenden Äußerungen betroffenen Personen zu reden oder auch mit der „schwierigen“ Person. Vorrang hat hier aber immer der Schutz Betroffener.
Fallen die Äußerungen im Plenum, ist der Übergang in Kleingruppen eine Option, um z.B. diskriminierendem Verhalten oder Provokationen keine Bühne zu geben. Bei weitergehendem Verhalten dieser Art sehen die nächsten Stufen des Kaskadenmodells vor, ggf. das Programm abzuändern, die Person (ggf. In Absprache mit der Lehrkraft) vom Workshop auszuschließen oder – wenn nichts hilft – die Veranstaltung abzubrechen.
Es ist hilfreich, sich diese „Werkzeuge“ vorher zurecht zu legen, damit sie im Fall der Fälle schnell eingesetzt werden können. Denn manche Situationen sind überfordernd, und je weniger die Trainer*innen spontan reagieren müssen desto besser.
Teamarbeit und institutionelle Einbindung Nicht nur individuelle Vorbereitung ist wichtig, sondern auch der Rückhalt durch das Team. Während und nach der Veranstaltung können wir uns gegenseitig unterstützen, Erfahrungen teilen und Lösungen diskutieren. Gerade bei Workshops an Schulen ist die Absprache mit Lehrkräften essenziell. Eine enge Zusammenarbeit und klare Absprachen tragen dazu bei, schwierige Situationen besser zu meistern. Zudem führen wir auch Gespräche mit verschiedenen Auftraggebenden, um langfristig eine gute Praxis im Umgang mit diskriminierenden Äußerungen zu etablieren.
Austausch und gemeinsame Weiterentwicklung Wir freuen uns über Feedback und Erfahrungsberichte! Welche Strategien haben sich in euren Workshops bewährt? Welche Herausforderungen habt ihr erlebt? Ein Austausch zwischen Trainer*innen und Auftraggebern hilft uns allen, sicherer und souveräner zu agieren. Lasst uns gemeinsam an einer diskriminierungssensiblen/wehrhaft-demokratischen Workshop-Kultur arbeiten!
Diversität und diskriminierungssensible Bildungsarbeit
Sich als lernende Organisation zu verstehen, bedeutet auch, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, sich gegenseitig zu befragen und die ein oder andere Frage (un)gelöst hinter sich zu lassen. Im vergangenen Jahr hat uns eine...
Wir verwenden Adobe Fonts, um das Erscheinungsbild unserer Seite zu verbessern. Ihre IP-Adresse wird dafür an einen Server in den USA gesendet. Wählen Sie „Ablehnen“, wenn Sie stattdessen eine andere Schriftart verwenden möchten. Für detailliertere Informationen besuchen Sie bitte unsere
Datenschutz