03.12.2024
Verhandlungen begleiten uns täglich, sei es im beruflichen Kontext oder im privaten Umfeld. Doch was macht eine erfolgreiche Verhandlung aus? Wie können wir eine langfristig tragfähige Vereinbarung erzielen, die keine Partei als Verlierer*in zurücklässt, und gleichzeitig möglichst viele unserer Verhandlungsziele erfüllen? 

Genau diesen Fragen widmen sich unsere Verhandlungsworkshops. Die kürzesten Trainings dauern dabei eine Stunde, die längeren mehrere Tage. Doch die „Essentials“ des guten Verhandelns versuchen wir unabhängig von der Dauer immer zu vermitteln. Welche das sind, haben wir hier aufgeschrieben. 

Grundlagen der Verhandlungstheorie

Das erste Essential ist das Verständnis dafür, was Verhandlungen so besonders macht: Beide Seiten haben unterschiedliche Ziele und Interessen, und gleichzeitig brauchen sie einander und haben ein Interesse an einer Einigung. Ohne diese gegenseitige Abhängigkeit könnten sie ihre Interessen einseitig durchsetzen. Und das führt zum sog. Verhandlungsdilemma: Verhandler*innen müssen kompromissbereit sein, damit es eine Einigung geben kann. Und sie müssen hart bleiben bei dem, was sie erreichen wollen und müssen. 

Übrigens: Bei manchen Verhandlungssituationen, die unlösbar erscheinen, liegt hier der Grund. Es sind keine Verhandlungen im oben beschriebenen Sinne: Entweder fehlt die gegenseitige Abhängigkeit, oder auf mindestens einer Seite fehlt der Wille, eine Einigung überhaupt anzustreben. 

Positionen und Interessen: Der Schlüssel zur Lösungsfindung

Das zweite „Essential“ ist die grundlegende Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen. Oft verstricken sich Verhandler*innen in einen Streit um Positionen – also um das, was sie fordern. Ein Beispiel: Zwei Personen streiten sich um eine Orange. Die eine sagt: „Ich will die Orange“, die andere fordert ebenfalls die ganze Frucht. Nach einigem Hin und Her einigen sie sich darauf, die Orange in zwei Hälften zu schneiden. Kein schlechtes Ergebnis, ein guter Kompromiss, jedenfalls besser als ohne Einigung auseinanderzugehen.  

Doch nun beginnt die eine Person ihre Hälfte der Orange auszupressen, um den Saft zu trinken. Die andere kratzt die Schale der Orange ab und gibt sie zum Teig des Kuchens, den sie gerade backen will. Beide Seiten hätten also 100% bekommen können anstatt nur die Hälfte, wenn sie darüber gesprochen hätten, warum sie die Orange wollten. Und Frage nach dem „Warum“ bringt die Interessen zum Vorschein, die hinter den Positionen liegen. 

Erst wenn Verhandler*innen den Fokus von den Positionen auf die Interessen verschieben, sind sog Win-Win-Lösungen möglich, bei denen beide Seiten das Maximale aus der Verhandlung herausholen können, ohne dass die jeweils andere als Verlierer*in dasteht.

Zwei Verhandlungsstrategien: Sieg oder Win-Win?

Damit im Zusammenhang steht das dritte Grundprinzip, nämlich die Unterscheidung zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Verhandlungsstrategien. Die eine Strategie besteht darin, das Gegenüber zu besiegen und ein möglichst großes Stück des Kuchens für sich selbst zu bekommen – mit allen dazu passenden Taktiken, bis hin zu Drohungen, Manipulation und anderen Tricks. Diese eher konfrontative Strategie kann kurzfristig zum Erfolg führen, birgt jedoch das Risiko, das Vertrauensverhältnis zur anderen Seite zu belasten und künftige Verhandlungen zu erschweren.

Wenn ich aber damit rechnen muss, die andere Seite bei zukünftigen Verhandlungen wiederzusehen – und das ist im beruflichen Kontext die deutlich häufigere Situation –, bringt diese Strategie schlechtere und wenig nachhaltige Ergebnisse oder gefährdet gar die Arbeitsbeziehung. 

Wenn ich also langfristig tragbare Lösungen suche, ist das sog. interessenbasierte oder kooperative Verhandeln die bessere Strategie. Anstatt gegen die andere Partei zu arbeiten, arbeiten wir gemeinsam gegen das Problem. Das Problem besteht darin, dass wir unterschiedliche Dinge wollen, und wir können gemeinsam daran arbeiten, Lösungen zum beiderseitigen Vorteil zu finden, sog. Win-Win-Lösungen. Dazu muss ich aber nicht nur wissen, was ich will, sondern ich muss auch verstehen, was die andere Seite will und braucht. 

Ohne gute Vorbereitung ist alles nichts

Das vierte „Essential“ ist die Erkenntnis, dass nur erfolgreich verhandeln kann, wer gut vorbereitet ist. Neben den relevanten Fakten und Daten gehört unbedingt dazu, die eigenen Interessen ebenso zu kennen wie die der anderen Seite, und davon abgeleitet meine Verhandlungspositionen und ihre relative Bedeutung. Nur wenn ich priorisiere, kann ich z.B. Zugeständnisse bei für mich weniger wichtigen Punkten eintauschen gegen Zugeständnisse der anderen Seite bei Punkten, die mir besonders wichtig sind. 

Erfahrene Verhandler*innen würden ergänzen, dass es wichtig ist, vom Ende her zu denken: Welche Ergebnisse könnten am Ende der Verhandlungen stehen? Was sind wünschenswerte, was realistische Ergebnisse? Und: Welche Alternativen und Optionen gibt es, das Problem und den Interessenkonflikt zu lösen? Hier gilt es kreativ zu werden. Je mehr Optionen ich in der Vorbereitung erarbeite, desto eher finde ich einen Ausweg bei vermeintlichen Verhandlungsblockaden.

BATNA: Der Plan B für Verhandlungen

Ein weiteres, zentrales Lernziel in unseren Trainings ist das Verständnis für die elementare Bedeutung des Konzepts „BATNA“ – der „Best Alternative to a Negotiated Agreement“. Auf Deutsch übersetzt bedeutet es „die beste Alternative zu einem verhandelten Ergebnis“, oder einfacher gesagt: der Plan B – was mache ich, falls die Verhandlungen scheitern sollten? Je besser die eigene Alternative zu einer gescheiterten Verhandlung ist, desto stärker ist die eigene Verhandlungsposition. Ein Beispiel: Eine Kaufverhandlung ist für mich viel entspannter, wenn ich mich vorab über andere Anbieter ähnlicher Produkte informiert und am besten sogar schon andere Angebote eingeholt habe. 

Praktische Anwendung in Verhandlungen

Das Wissen um diese Grundprinzipien ist jedoch das eine – die Anwendung in der Praxis das andere. Deshalb legen wir in unseren Trainings großen Wert auf das praktische Ausprobieren. In unseren Übungen, Rollen- und Planspielen wenden die Teilnehmenden die vorgestellten Strategien und Konzepte direkt an, geben und bekommen Feedback und tauschen sich über ihre eigenen Erfahrungen aus. Wenn das für Ihre Gruppe interessant sein sollte: Melden Sie sich gerne bei uns! 

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