Die soziale Ungleichheit in Deutschland ist seit Ende der 1990er Jahre deutlich gestiegen. Laut Verteilungsbericht der Hans-Böckler-Stiftung hat die Einkommensungleichheit deutlich zugenommen, die Armutsquote verharrt auf hohem Niveau. Die obersten 10% der Haushalte besitzen zwei Drittel des Gesamtvermögens, während die untersten 20% von Armut bedroht sind. Doch soziale Ungleichheit ist vielschichtig und betrifft nicht nur Vermögen und Einkommen, sondern unter anderem auch Bildung und gesellschaftliche Teilhabe. Wer welche Möglichkeiten, Chancen und Zugänge in unserer Gesellschaft hat, ist dabei durchdrungen von historisch und ökonomisch gewachsenen Machtverhältnissen. 

Das Thema soziale Ungleichheit ist gesellschaftlich also hoch relevant, und doch gibt es im deutschsprachigen Raum kaum Planspiele dazu. Mit dem kostenfrei verfügbaren, modularen Planspiel „Bürgerrat in Aktion: Ungleichheit im Blick“ schließen wir diese Leerstelle. 

Das Projekt war didaktisch und methodisch durchaus herausfordernd, nicht zuletzt aufgrund der Anforderung zwei recht unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen: 1.) Kinder und Jugendliche von 11 bis 14 Jahren und 2.) Jugendliche ab 15 Jahren mit Leseschwierigkeiten. Es galt also das Thema sehr niedrigschwellig anzugehen, und dabei aber nicht unzulässig zu vereinfachen. 

Keine leichte Aufgabe, aber eine bei der wir selbst sehr viel gelernt haben. Sehr hilfreich waren die mehrfachen Tests während der Entwicklung und natürlich die wissenschaftliche Begleitung durch Dr. Andreas Petrik, Professor für Didaktik der Sozialkunde/Politische Bildung am Institut für Politikwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Auch die Diskussionen zum Konzept bei der bundesweiten „Netzwerkkonferenz Planspiele 2024“ in Magdeburg waren sehr wertvoll. 

Doch wie haben wir’s denn nun konzeptionell gelöst? 

Im Planspiel „Bürgerrat in Aktion“ nehmen die Teilnehmenden die Rollen von Bürger*innen mit unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen ein und verhandeln in diesen Rollen über die Einführung von Maßnahmen zur Bekämpfung von sozialer Ungleichheit im fiktiven Land Fontanien. Den institutionellen Rahmen des Planspiels bildet ein Bürgerrat, in dem sie über eine Empfehlung (Bürgergutachten) für die fontanische Regierung abstimmen. Je nach Interessen und Abstraktionsvermögen der Schüler*innen stehen unterschiedliche Themen ausgewählt werden: Die Einführung eines Kultur- und Freizeitpasses für bedürftige Menschen, die Einführung der Ganztagsschule und die Einführung eines Grundeinkommens.

Um den Teilnehmenden des Planspiels einen möglichst lebensweltnahen und gleichzeitig politiknahen Zugang zum Thema zu ermöglichen, haben wir die Form eines „soziologischen“ Planspiels gewählt: Die Rollen sind als soziale Rollen angelegt, die Teilnehmenden spielen also keine Parteien-Vertreter*innen, sondern Bürger*innen aus verschiedenen sozialen Milieus, die über unterschiedliches soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital verfügen. Zusätzlich zu ihrem sozioökonomischen Status bekommen sie über ihre Rolle aber auch Vorgaben zur politischen Grundhaltung und zu ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit. So kann auch verdeutlicht werden, dass Menschen nicht notwendigerweise Parteien wählen, die Politik im Sinne ihrer sozioökonomischen Interessen machen.  

Um den Teilnehmenden den Zugang zum Planspiel zu erleichtern, sind längere Textblöcke auch als Audiodateien verfügbar. Außerdem bietet das Planspiel an unterschiedlichen Stellen Möglichkeiten zur didaktischen Vereinfachung oder inhaltlichen Vertiefung. 

Wir hoffen sehr, dass das Planspiel große Verbreitung findet! Nach der finalen Abnahme wird es auf den Seiten der bpb zum Download verfügbar sein.